Offener Brief an die Abgeordneten der Bremischen Bürgerschaft

Jugendarbeit in Bremen strukturell stärken –
Jetzt für höhere Eckwerte für das Sozialressort stimmen!
Am 08. Juli hat im Jugendfreizeitheim Findorff eine Fachdiskussion unter dem Titel „Jugendarbeit in Bremen – Quo vadis?“ mit Jugendlichen, Vertreter_innen aus Politik und aus der Jugendarbeit stattgefunden. Es ist mittlerweile die dritte Veranstaltung zum Thema gewesen, die vom Bündnis 30% organisiert wurde. Diskutiert wurde vor allem zu den Fragen wie es um die
offene Jugendarbeit in Bremen bestellt ist und wo der Weg in Zukunft hinführen soll.

Eindrücklich wurde einmal mehr darauf hingewiesen, dass der Bereich der offenen Jugendarbeit (OJ) in Bremen seit Jahren in hohem Maße prekär aufgestellt ist. Durch nicht auskömmlich finanzierte Einrichtungen und Projekte wurden die Träger in den vergangenen Jahren dazu gezwungen, Eigenmittel zum Erhalt der Struktur heranzuziehen. Steigende Kosten bei gedeckelter Förderung haben die Situation (selbst für große Wohlfahrtsverbände) derart verschärft, sodass vielerorts Personalabbau, Angebotsreduzierungen und Schließungen von Einrichtungen die Folge waren und sind. Allein zwischen 2007 und 2014 hat sich die Zahl der städtisch geförderten Einrichtungen und Projekte von 65 auf 54 reduziert. Das jährlich für offene Jugendarbeit eingesetzte Budget ist mit 7,3 Mio Euro vergleichsweise gering und macht lediglich einen Anteil von rund 3,5% des Jugendhilfeetats bzw. 0,18% des Bremischen Gesamthaushalts aus. Angemessen wäre hingegen ein Anteil von 10% des Jugendhilfeetats.(1)

Schon längst ist auf dieser Grundlage keine Planungssicherheit mehr gegeben. Jahr für Jahr übersteigen die von den Trägern gemeldeten Bedarfe die in den Stadtteilen zu verteilenden Budgets – zum Teil sogar ganz erheblich. Pädagogische Arbeit, die an den Bedarfen der Jugendlichen ausgerichtet ist, kann ihre Wirkung und Potentiale (wie Stärkung der Persönlichkeit, Selbstermächtigung, demokratisches Handeln fördern, u.s.w.) unter den gegebenen Voraussetzungen kaum mehr zur Entfaltung bringen. Partizipation und Inklusion sind Aufgaben, die von der Jugendarbeit erwartet werden, deren Umsetzung jedoch institutionalisierte Strukturen und Fachlichkeit erfordern, die finanziell bisher nur bedingt hinterlegt sind. Auch auf die besonderen Bedarfe und Anforderungen in der Arbeit mit bestimmten Zielgruppen wie z.B. geflüchtete Jugendliche kann die OJ ohne zusätzliche Mittel nicht adäquat reagieren. Gerade in Anbetracht dieser aktuellen Herausforderungen ist es notwendig den Etat für die Kinder- und Jugendarbeit jetzt substantiell zu erhöhen. Neben dem Bündnis 30% fordern auch die LAG der Wohlfahrtsverbände, die LAG Schulsozialarbeit, LAG Streetwork und der Bremer Jugendring seit langem eine auskömmliche Finanzierung der OJ.(2)

Schnell waren sich alle Beteiligten bei der Fachdiskussion einig, dass sich dringend etwas ändern muss. Zu wichtig ist die OJ als ein Bereich der außerschulischen Bildung mit ihren vielfältigen Angeboten wie Ferienfreizeiten, Reisen, Seminare, Workshops, Konzerte oder offenen Treffs für die Jugendlichen und jungen Erwachsenen. Hierüber erwerben Jugendliche Kompetenzen (sog. soft-skills) und erhalten darüber hinaus Hilfe und Beratung bei Problemen. Nicht nur für die Jugendlichen selbst sind die Einrichtungen der offenen Jugendarbeit „ihr Zuhause“ und damit
unverzichtbar, was nicht zuletzt auch durch die Besetzung des Freizis Buntentor deutlich wurde. Auch für viele andere Institutionen sind die Träger der OJ unverzichtbare Partner in der
Zusammenarbeit – wie beispielsweise für Schulen oder als feste Anlaufstellen für streetwork.

Ohnehin ist Bremen durch das SGB VIII gesetzlich dazu verpflichtet allen Jugendlichen Angebote der OJ zur Verfügung zu stellen. Immerhin konnten sich die eingeladenen Gäste aus der Politik
Maike Schaefer (Fraktionsvorsitzende/Die Grünen), Klaus Möhle (Jugendpolitischer Sprecher/SPD) und Cindi Tuncel (Jugendpolitischer Sprecher/Die Linke) an dem Abend darauf verständigen, „dass es mehr Geld geben muss.“ Außerdem solle vermieden werden, dass Einrichtungen geschlossen werden müssen. Das neue Rahmenkonzept OJA sei sehr gut.

Bedauerlich ist aus unserer Sicht jedoch, dass das Geld für den Erhalt der Struktur, für Verbesserungen und zur Umsetzung des OJA noch nicht zur Verfügung gestellt wird. Allein zum Erhalt der bestehenden Struktur ist nach unserer Auffassung eine Erhöhung der Anschläge für Jugendarbeit um 30% nötig. Daher bedarf es im Haushalt 16/17 einer deutlichen Erhöhung der Eckwerte für das Sozialressort! Eine Umverteilung innerhalb des Sozialressorts lehnen wir in Anbetracht der zunehmenden sozialen Ungleichheit und der immens hohen Kinder- und Jugendarmut ab!

Im Interesse der Kinder und Jugendlichen in Bremen fordern wir die handelnden politischen Personen auf bei der Festlegung der Eckwerte für eine substantielle Stärkung der Jugendarbeit zu stimmen und auf diese Weise Demokratie zu stärken, einen Beitrag zu sozialer Gerechtigkeit zu leisten und gegen Armut zu wirken. Im Einzelnen fordern wir:

• die Eckwerte für das Sozialressort zu erhöhen
• den Deputationsbeschluss zur offenen Jugendarbeit umgehend umzusetzen
• in der Haushaltsperiode 2016/17 auskömmliche Mittel zur Umsetzung der neuen Rahmenkonzeption (OJA) zur Verfügung zu stellen
• Jugendeinrichtungen institutionell und mit auskömmlichen Sockelbeträgen zu fördern
• Mindeststandards für Jugendeinrichtungen zu gewährleisten
• auskömmliche und langfristige Finanzierung der sog. stadtzentralen Angebote
• Stärkung der Jugendverbände
• Bedarfe der Jugendarbeit zu ermitteln
• einen Jugendhilfeplan für Bremen, neue Stadtteilkonzepte sowie einen unabhängigen Bericht zur Lage der Kinder und Jugendlichen im Land Bremen zu erstellen
• alle bestehenden Jugendeinrichtungen mindestens so lange zu erhalten, bis auf der Grundlage einer Bedarfsermittlung und einem Jugendhilfeplan eine bedarfsgerechte (kleinräumige wie stadtweite) Jugendhilfeplanung für das Land Bremen möglich ist

 

1 Siehe auch Presseerklärung Bündnis 30% vom 13.10.2014
2 Auch die Jugendverbände fordern als Ausgleich für die gestiegenen Kosten zusätzliche Mittel in Höhe von 15%.

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